Die Biomasserückführung ist ein entscheidender Prozess in der biologischen Abwasserbehandlung, bei dem der Schlamm, der eine hohe Konzentration an aktiven Mikroorganismen enthält, in das biologische Reaktorsystem zurückgeführt wird. Dieser Schritt ermöglicht eine effektive und stabile biologische Reinigung, indem eine ausreichend hohe Konzentration an Mikroorganismen im System aufrechterhalten wird. Die Rückführung der Biomasse wird hauptsächlich in Belebtschlammverfahren und anderen biologischen Reaktorsystemen angewendet, um den kontinuierlichen Abbau organischer Verbindungen und Nährstoffe im Abwasser sicherzustellen.
Inhaltsverzeichnis
Technische Grundlagen
In der biologischen Abwasserbehandlung werden Mikroorganismen eingesetzt, um organische Substanzen, Nährstoffe wie Stickstoff und Phosphor sowie andere Schadstoffe abzubauen. Diese Mikroorganismen sammeln sich in Form von aktivem Schlamm oder Biomasse an. Während des Klärprozesses wird der Belebtschlamm vom gereinigten Wasser getrennt, und ein Teil dieses Schlamms wird als Überschussschlamm abgeführt, um die Konzentration stabil zu halten. Der Rest wird in das Reaktionssystem zurückgeführt – dies ist die Biomasserückführung.
Die Rückführung erfolgt in der Regel in einem separaten Kreislauf. Die Schlammrückführung kann dabei auf zwei Arten erfolgen:
- Intern: Der in einem Nachklärbecken oder einer anderen Separationseinheit abgesetzte Schlamm wird direkt zurück in den biologischen Reaktor (Belebungsbecken) gepumpt. Dies geschieht kontinuierlich oder diskontinuierlich, je nach Auslastung und Behandlungsziel.
- Extern: In einigen Systemen, wie z.B. Membranbioreaktoren (MBR), wird die Biomasse durch die Membran zurückgehalten, wodurch eine interne Rückführung bereits durch die Systemarchitektur integriert ist.
Rolle der Biomasserückführung in der Praxis
Die Biomasserückführung hat mehrere wesentliche Funktionen in der biologischen Abwasserbehandlung:
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Aufrechterhaltung der Mikroorganismenpopulation: Die Rückführung der Biomasse sorgt dafür, dass im biologischen Reaktor eine hohe Dichte an Mikroorganismen vorhanden ist. Diese Mikroorganismen sind für den Abbau der organischen Verbindungen und Nährstoffe verantwortlich. Eine höhere Konzentration an Biomasse führt in der Regel zu einer höheren Reinigungsleistung, da mehr Mikroorganismen gleichzeitig arbeiten können.
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Stabilisierung des Systems: Durch die kontinuierliche Rückführung der Biomasse bleibt die Schlammalter und die Schlammkonzentration (MLSS – Mixed Liquor Suspended Solids) im Belebungsbecken stabil. Ein stabiles Verhältnis von Mikroorganismen zu organischer Belastung (F/M-Verhältnis) ist entscheidend für die Effizienz des Abbaus und die Vermeidung von Betriebsstörungen wie Schlammabtrieb oder Sauerstoffmangel.
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Verbesserte Schlammqualität: Die regelmäßige Rückführung von Biomasse sorgt für eine verbesserte Schlammflockung. Flockige Schlammstrukturen lassen sich leichter absetzen, was zu einer besseren Trennung von gereinigtem Wasser und Schlamm im Nachklärbecken führt. Dies ist besonders wichtig, um die Klarheit des gereinigten Wassers zu gewährleisten und die Feststoffe effizient abzuscheiden.
Anwendung in verschiedenen Systemen
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Belebtschlammverfahren: Im klassischen Belebtschlammverfahren wird der Belebtschlamm nach der biologischen Behandlung in einem Nachklärbecken abgetrennt. Der Rücklaufschlamm wird anschließend in das Belebungsbecken zurückgeführt. Durch die Biomasserückführung kann die Schlammkonzentration im Belebungsbecken gesteuert und die biologische Aktivität aufrechterhalten werden.
Foto: Sedimentabzug in einem Rundklärbecken zur Rückführung von Biomasse (ALMA BHU BIO)
2. Membranbioreaktoren (MBR)
- In Membranbioreaktoren wird die Biomasse durch die Membran vom gereinigten Wasser getrennt. Da die Membranen die Mikroorganismen zurückhalten, verbleibt die Biomasse im Reaktor und wird dort weiter genutzt. Dies führt zu einer hohen Biomassekonzentration und einer gesteigerten Reinigungseffizienz.
3. Anaerobe Verfahren:
- In anaeroben Verfahren, wie dem UASB-Reaktor (Upflow Anaerobic Sludge Blanket), wird die Biomasse ebenfalls im System zurückgehalten, um die Methanproduktion und den organischen Abbau zu maximieren. Eine kontinuierliche Rückführung oder Vermehrung der Biomasse ist entscheidend für die Effizienz dieser Systeme.
Foto: Anaerober Reaktor (ALMA BHU GMR) mit Sedimentationsbecken für die Biomasserückführung (rechts)
Herausforderungen und Optimierung
Die Biomasserückführung muss sorgfältig überwacht und gesteuert werden, um einen stabilen und effizienten Betrieb der Anlage sicherzustellen. Einige Herausforderungen und Optimierungsansätze sind:
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Schlammrückführrate: Die Menge an zurückgeführtem Schlamm muss sorgfältig geregelt werden. Zu geringe Rückführmengen können zu einer Verarmung der Mikroorganismen im Reaktor führen, während zu hohe Rückführmengen die hydraulische Belastung des Systems erhöhen und das Klärbecken überlasten können. Eine typische Rückführrate liegt bei etwa 50-100 % des Abwasserzuflusses.
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Überalterter Schlamm: Wird die Biomasse zu lange im System gehalten, kann es zu einer Überalterung des Schlamms kommen. Dies führt zu einer schlechteren Flockenbildung und einem geringeren biologischen Abbau. Überschussschlamm muss daher regelmäßig abgeführt werden.
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Belastungsschwankungen: Bei stark schwankenden organischen Belastungen des Abwassers (z.B. in der Lebensmittelindustrie) kann die Rückführungsrate angepasst werden, um auf kurzfristige Erhöhungen der organischen Fracht zu reagieren. Hierbei sind dynamische Steuerungssysteme hilfreich, um eine optimale Schlammkonzentration aufrechtzuerhalten.
Vorteile der Biomasserückführung
Die gezielte Rückführung von Biomasse bietet mehrere Vorteile für den Betrieb von biologischen Abwasserbehandlungsanlagen:
- Effizienter Abbau von organischen Substanzen: Durch die Rückführung wird eine ausreichend hohe Konzentration an Mikroorganismen im Reaktor aufrechterhalten, was den kontinuierlichen und effizienten Abbau organischer Stoffe sicherstellt.
- Kompakter Anlagenbau: In Kombination mit Verfahren wie der Membranbioreaktor-Technologie kann die hohe Biomassekonzentration zu einer Reduzierung des erforderlichen Volumens des biologischen Reaktors führen, wodurch kompaktere und platzsparendere Anlagen gebaut werden können.
- Verbesserte Systemstabilität: Die Biomasserückführung trägt dazu bei, Schwankungen in der organischen Belastung abzufangen und das System stabil zu halten, insbesondere bei stark wechselnden Abwassermengen oder organischen Lasten.
Fazit
Die Biomasserückführung ist ein unverzichtbarer Bestandteil der biologischen Abwasserbehandlung. Sie gewährleistet eine stabile mikrobiologische Aktivität, erhöht die Reinigungsleistung und optimiert den Abbau organischer Stoffe. In modernen biologischen Anlagen, insbesondere in Belebtschlammverfahren und Membranbioreaktoren, trägt die Rückführung von Biomasse wesentlich zur Effizienz und Langlebigkeit der Systeme bei. Ein fundiertes Verständnis und eine sorgfältige Steuerung der Rückführungsprozesse sind unerlässlich, um eine optimale Behandlung von industriellen Abwässern zu gewährleisten.