Organische Verbindungen sind eine umfangreiche Klasse chemischer Stoffe, die aus Kohlenstoff (C) und in der Regel Wasserstoff (H) bestehen, oft kombiniert mit Sauerstoff (O), Stickstoff (N), Schwefel (S), Phosphor (P) oder Halogenen. In der industriellen Wasser- und Abwasserbehandlung spielen sie eine zentrale Rolle, da sie in Form von Schadstoffen, Nährstoffen, Energieträgern und sogar Betriebsstoffen vorkommen. Das Verständnis ihrer chemischen Eigenschaften, ihres Verhaltens im Wasser und ihrer Wechselwirkungen mit Behandlungsprozessen ist entscheidend, um effiziente Wasseraufbereitungs- und Abwasserbehandlungssysteme zu entwickeln.
Inhaltsverzeichnis
Eigenschaften und Klassifikation organischer Verbindungen
Organische Verbindungen lassen sich je nach ihrer chemischen Struktur, Herkunft oder Funktion in verschiedene Kategorien einteilen:
1. Kohlenwasserstoffe
- Bestehen ausschließlich aus Kohlenstoff- und Wasserstoffatomen.
- Unterteilung in:
- Aliphatische Kohlenwasserstoffe (z. B. Methan, Hexan): Einfachketten oder verzweigte Ketten.
- Aromatische Kohlenwasserstoffe (z. B. Benzol, Toluol): Ringstrukturen mit delokalisierten Elektronen.
- Relevanz: Häufige Bestandteile von Industrieabwässern aus der Petrochemie.
2. Halogenierte organische Verbindungen
- Kohlenwasserstoffe, die Halogene (Cl, Br, F) enthalten.
- Beispiele: Trichlorethylen, Dichlormethan.
- Relevanz: Stark persistent und toxisch, schwer biologisch abbaubar.
3. Organische Säuren
- Carboxylgruppen (-COOH) verleihen diesen Verbindungen saure Eigenschaften.
- Beispiele: Essigsäure, Zitronensäure.
- Relevanz: Beeinflussen den pH-Wert und die Fällungsprozesse in Wasseraufbereitungssystemen.
4. Organische Stickstoffverbindungen
- Enthalten Aminogruppen (-NH₂) oder andere Stickstoffverbindungen.
- Beispiele: Amine, Harnstoff.
- Relevanz: Können Stickstoffeinträge in Gewässer erhöhen und zur Eutrophierung beitragen.
5. Organische Phosphorverbindungen
- Enthalten Phosphor in organischer Bindung.
- Beispiele: Pestizide, Phospholipide.
- Relevanz: Tragen zur Nährstoffbelastung bei.
6. Biopolymere und Naturstoffe
- Kohlenhydrate, Fette, Proteine, Lignin und Huminstoffe.
- Relevanz: Häufig in kommunalen und landwirtschaftlichen Abwässern.
7. Synthetische organische Verbindungen
- Kunststoffe, Tenside, Arzneimittelrückstände, Weichmacher (z. B. BPA, PAK).
- Relevanz: Zunehmendes Problem in der Wasserbehandlung aufgrund ihrer Persistenz und toxischen Wirkung.
Quellen organischer Verbindungen im Wasser und Abwasser
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Industrielle Prozesse
- Petrochemische Industrie: Kohlenwasserstoffe, Aromaten, Lösungsmittel.
- Chemische Industrie: Halogenierte Verbindungen, Tenside, Kunststoffe.
- Lebensmittelindustrie: Organische Säuren, Fette, Proteine.
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Haushaltsabwässer
- Reinigungsmittel, Körperpflegeprodukte, Arzneimittelrückstände.
- Organische Verbindungen wie Tenside und Duftstoffe gelangen über Abwässer in Kläranlagen.
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Landwirtschaft
- Eintrag durch Pestizide, Herbizide und tierische Exkremente.
- Abbauprodukte organischer Stoffe reichern sich in Oberflächen- und Grundwasser an.
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Natürliche Quellen
- Abbau organischer Materie wie Pflanzenreste und Huminstoffe.
- Gelöster organischer Kohlenstoff (DOC) aus natürlichen Zersetzungsprozessen.
Relevanz organischer Verbindungen in der Wasser- und Abwasserbehandlung
1. Schadstoffe und Umweltbelastung
Viele organische Verbindungen sind toxisch, kanzerogen oder mutagen und schwer biologisch abbaubar. Dazu gehören:
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Halogenierte Verbindungen wie Trichlorethylen und PCB, die persistent und bioakkumulierbar sind.
- Gefahr: Toxizität für aquatische Organismen, potenzielle Kanzerogenität.
- Grenzwert: AOX im Trinkwasser < 0,1 mg/L (Deutschland).
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PAK (Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe), z. B. Benzo[a]pyren, die aus Verbrennungsprozessen stammen.
- Gefahr: Kanzerogenität und Schädigung von Ökosystemen.
- Grenzwert: PAK (Benzo[a]pyren) im Trinkwasser < 0,01 µg/L (EU).
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Arzneimittelrückstände, z. B. Diclofenac und Antibiotika, die biologisch aktiv und schwer abbaubar sind.
- Gefahr: Resistenzenbildung bei Mikroorganismen, Störung von Hormonsystemen.
- Richtwert: Empfohlen < 100 ng/L (keine gesetzlichen Grenzwerte).
Einflüsse auf Ökosysteme:
- Bereits geringe Konzentrationen können toxisch auf Fische und Amphibien wirken, die Fortpflanzung und das Wachstum beeinträchtigen.
- Persistente Stoffe reichern sich in Sedimenten an und bleiben über Jahrzehnte aktiv.
Herausforderungen und Vorgaben:
- Konventionelle Kläranlagen können viele dieser Verbindungen nicht vollständig entfernen. Persistente Stoffe erfordern spezialisierte Verfahren wie Adsorption oder Oxidation.
- Grenzwertbeispiele: EU-Wasserrahmenrichtlinie: Benzo[a]pyren in Oberflächengewässern < 0,03 µg/L.
2. Nährstoffe und Eutrophierung
Organische Verbindungen, die Stickstoff und Phosphor enthalten, sind wichtige Nährstoffe. In hohen Konzentrationen fördern sie jedoch die Eutrophierung, die das Gleichgewicht von Gewässern erheblich stört.
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Stickstoffverbindungen (z. B. Ammonium, Harnstoff):
- Eigenschaften: Schnell biologisch verfügbar, fördern das Wachstum von Algen.
- Folgen: Algenblüten (Phytoplankton) führen zu Sauerstoffmangel (Hypoxie) und schädigen aquatische Organismen.
- Grenzwert: Ammonium im Trinkwasser < 0,5 mg/L (Deutschland).
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Phosphorverbindungen (z. B. Orthophosphate, Phospholipide):
- Eigenschaften: Bereits geringe Mengen können eutrophierende Effekte auslösen.
- Folgen: Bildung toxischer Blaualgen und Verschlechterung der Wasserqualität.
- Grenzwerte: Gesamtphosphor in Kläranlagen < 1 mg/L (EU), Phosphat im Trinkwasser < 6,7 mg/L (Deutschland).
Einflüsse auf die Abwasserbehandlung:
- Hohe Konzentrationen organischer Nährstoffe, z. B. aus Landwirtschaft oder Industrie, überfordern biologische Reinigungsverfahren.
- Überschüssige Nährstoffe werden durch Nitrifikation/Denitrifikation (Stickstoff) oder chemische Fällung (Phosphor) entfernt.
Verfahren zur Entfernung organischer Verbindungen
Die Entfernung organischer Verbindungen aus Wasser und Abwasser ist ein zentraler Aspekt der industriellen Wasserbehandlung. Aufgrund der unterschiedlichen Eigenschaften organischer Verbindungen – von leicht abbaubar bis hoch persistent – kommen verschiedene physikalische, chemische und biologische Verfahren zum Einsatz. Diese werden oft kombiniert, um maximale Effizienz zu gewährleisten.
1. Biologische Verfahren
Prinzip: Biologische Verfahren nutzen Mikroorganismen, um organische Verbindungen abzubauen oder umzuwandeln. Die Mikroorganismen oxidieren organische Stoffe zu CO₂ und Wasser oder reduzieren sie zu Methan und anderen Zwischenprodukten.
Beispiele biologischer Verfahren:
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- Mikroorganismen oxidieren organische Stoffe unter aeroben Bedingungen.
- Anwendung: Kläranlagen für kommunale und industrielle Abwässer.
- Prozess: Sauerstoff wird durch Belüfter in das Belebungsbecken eingebracht, um die Aktivität der Bakterien zu fördern.
- Typische Abbauprodukte: CO₂ und Biomasse (Klärschlamm).
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- In sauerstofffreien Reaktoren wandeln Mikroorganismen organische Verbindungen in Biogas (Methan und CO₂) um.
- Anwendung: Geeignet für hoch belastete Abwässer (z. B. aus der Lebensmittelindustrie).
- Prozess: Organische Substrate werden durch hydrolytische, acidogene, acetogene und methanogene Mikroorganismen stufenweise abgebaut.
Vorteile biologischer Verfahren:
- Kostengünstig, da keine teuren Chemikalien benötigt werden.
- Nachhaltig, insbesondere durch Biogasgewinnung.
Nachteile biologischer Verfahren:
- Nicht geeignet für schwer abbaubare (refraktäre) organische Verbindungen wie PAK oder halogenierte Kohlenwasserstoffe.
- Empfindlich gegenüber Temperaturschwankungen und toxischen Substanzen.
Foto: Unser biologischen Belebtschlammanlage ALMA BHU BIO
2. Chemische Oxidation
Prinzip: Chemische Oxidationsverfahren zerstören organische Verbindungen, indem sie reaktive Spezies wie Hydroxylradikale (OH•) erzeugen, die organische Moleküle oxidieren und in CO₂, H₂O und kleinere Moleküle zerlegen.
Typische Oxidationsmittel:
- Ozon (O₃): Starkes Oxidationsmittel, das direkt oder in Kombination mit Wasserstoffperoxid eingesetzt wird.
- Wasserstoffperoxid (H₂O₂): Oft in Kombination mit UV-Licht oder Ozon verwendet.
- Chlor: Eingesetzt zur Desinfektion und Oxidation, jedoch mit der Gefahr der Bildung von chlorierten Nebenprodukten.
Advanced Oxidation Processes (AOPs):
- Mechanismus: Kombination von Oxidationsmitteln mit UV-Licht oder Katalysatoren zur Erzeugung von Hydroxylradikalen.
- Anwendung: Abbau persistenter Schadstoffe wie halogenierter Kohlenwasserstoffe, Arzneimittelrückstände und polyzyklischer aromatischer Kohlenwasserstoffe (PAK).
Vorteile chemischer Oxidation:
- Geeignet für schwer abbaubare organische Verbindungen.
- Schneller Abbau im Vergleich zu biologischen Verfahren.
Nachteile chemischer Oxidation:
- Hohe Betriebskosten aufgrund des Verbrauchs von Chemikalien und Energie.
- Bildung von Nebenprodukten
Foto: Unsere UV-Oxidationsanlage ALMA OXI UV zur Entfernung von persistenten organischen Verbindungen und Mikroschadstoffen
3. Adsorption
Prinzip: Adsorptionsverfahren binden organische Verbindungen an poröse Materialien wie Aktivkohle, die eine große spezifische Oberfläche und hohe Affinität zu organischen Molekülen aufweisen.
Ablauf:
- Das belastete Wasser wird durch Adsorptionsfilter geleitet, wobei die organischen Verbindungen an die Oberfläche der Aktivkohle binden.
- Nach Erreichen der Sättigung wird die Aktivkohle regeneriert oder ersetzt.
Anwendungen:
- Trinkwasseraufbereitung: Entfernung von Mikroverunreinigungen und Geschmacksstoffen.
- Abwasserbehandlung: Entfernung von Reststoffen nach biologischer Reinigung.
Vorteile der Adsorption:
- Hohe Effizienz bei der Entfernung von Spurenstoffen und schwer abbaubaren Verbindungen.
- Relativ einfache Integration in bestehende Anlagen.
Nachteile der Adsorption:
- Begrenzte Aufnahmekapazität der Adsorbentien.
- Hohe Kosten für Regeneration oder Entsorgung der gesättigten Aktivkohle.
Foto: Unsere Aktivkohlefilter ALMA FIL AK mit vorgeschalteten Mehrschichtfiltern
5. Fällung und Flotation
Prinzip: Chemische Fällung setzt Reagenzien ein, die schwerlösliche Verbindungen mit organischen Schadstoffen bilden, die dann durch Flotation oder Sedimentation entfernt werden können.
Ablauf:
- Fällmittel wie Eisen- oder Aluminiumsalze werden dem Wasser zugegeben, um organische Stoffe zu binden.
- In der Flotation werden die gebildeten Flocken durch Luftblasen an die Oberfläche getrieben und abgeschöpft.
Anwendungen:
- Behandlung von Abwässern mit hohen organischen Belastungen, z. B. aus der Lebensmittelindustrie oder Raffinerien.
Vorteile der Fällung und Flotation:
- Schnell und effektiv für stark belastete Abwässer.
- Reduzierung von CSB und BSB.
Nachteile der Fällung und Flotation:
- Hoher Chemikalienverbrauch.
- Bildung großer Mengen von Schlämmen, die entsorgt werden müssen.
Foto: Unsere Flotationsanlage ALMA NeoDAF mit Fällung und Flockung zur Reduzierung organischen Verbindungen
Überwachung und Analyse organischer Verbindungen
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Summenparameter:
- Chemischer Sauerstoffbedarf (CSB): Maß für die Menge an oxidierbaren organischen Verbindungen.
- Biochemischer Sauerstoffbedarf (BSB5): Anteil der biologisch abbaubaren organischen Verbindungen.
- TOC (Total Organic Carbon): Gesamtgehalt an organischem Kohlenstoff.
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Spezifische Analyse:
- Gaschromatographie (GC) und Flüssigchromatographie (HPLC) zur Identifikation spezifischer Verbindungen.
- Massenspektrometrie (MS) zur Untersuchung von Spurenstoffen.
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Online-Monitoring:
- Kontinuierliche Überwachung von CSB und TOC in Abwasserströmen.
Fazit
Organische Verbindungen stellen in der industriellen Wasser- und Abwasserbehandlung eine komplexe Herausforderung dar. Ihre effektive Entfernung erfordert ein tiefes Verständnis ihrer chemischen Eigenschaften und ein gezieltes Zusammenspiel moderner Technologien. Durch den Einsatz kombinierter Verfahren und einer präzisen Überwachung lassen sich sowohl Umweltauflagen erfüllen als auch wirtschaftliche und nachhaltige Lösungen realisieren.
Für weiter Informationen zu unseren Produkten können Sie uns gerne jederzeit kontaktieren!