Die petrochemische Industrie gehört zu den bedeutendsten Industriezweigen weltweit und umfasst die Herstellung von Chemikalien und Materialien auf Basis fossiler Rohstoffe wie Erdöl und Erdgas. Ihre Produktionsprozesse erzeugen eine Vielzahl unterschiedlicher Abwässer und erfordern spezialisierte Lösungen in der Wasseraufbereitung und Abwasserbehandlung. In diesem Beitrag werden die wassertechnischen Herausforderungen der petrochemischen Industrie detailliert beschrieben, wobei der Fokus auf chemisch-technischen Prozessen, Umweltaspekten und praxisorientierten Lösungen liegt.
Inhaltsverzeichnis
Bedeutung der petrochemischen Industrie
Die petrochemische Industrie ist zentral für die Herstellung von Kunststoffen, Lösungsmitteln, Tensiden, Pharmazeutika, Farbstoffen und vielen weiteren Produkten. Gleichzeitig gehört sie zu den größten Verbrauchern von Frischwasser und erzeugt hochbelastete Abwässer, die durch ihre komplexen Inhaltsstoffe und hohe Schadstoffkonzentrationen eine besondere Herausforderung für die Wasserbehandlung darstellen.
Wasserverbrauch in der petrochemischen Industrie
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Prozesswasser:
- Einsatz in chemischen Reaktionen und für die Reinigung von Rohstoffen und Produkten.
- Anforderungen: Hohe Reinheit, frei von Schwebstoffen und gelösten Salzen.
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Kühlwasser:
- Große Mengen Wasser werden in Kühlsystemen zur Wärmereduktion verwendet.
- Herausforderung: Vermeidung von Biofouling, Korrosion und Scaling.
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Dampferzeugung:
- Nutzung von Wasser zur Erzeugung von Hochdruckdampf, der in Produktionsprozessen und Kraftwerken benötigt wird.
- Anforderungen: Niedriger Salzgehalt, um Ablagerungen in Kesseln zu vermeiden.
Abwässer in der petrochemischen Industrie
Die Abwässer aus der petrochemischen Industrie zeichnen sich durch ihre hohe Komplexität und Variabilität aus. Sie enthalten oft eine Mischung aus organischen und anorganischen Verbindungen, die in unterschiedlichen Konzentrationen vorliegen.
Typische Inhaltsstoffe petrochemischer Abwässer:
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Kohlenwasserstoffe:
- Aromaten (z. B. Benzol, Toluol, Xylol – BTX), Aliphaten und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK).
- Eigenschaften: Hydrophob, oft toxisch und schwer biologisch abbaubar.
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Schwer abbaubare organische Verbindungen:
- Halogenierte Verbindungen, Phenole und organische Säuren.
- Herausforderung: Persistenz und potenzielle Toxizität.
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Schwebstoffe und Emulsionen:
- Öl-Wasser-Emulsionen und ungelöste Feststoffe, die mechanisch abgeschieden werden müssen.
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Anorganische Verbindungen:
- Sulfate, Chloride, Metalle und Phosphate.
- Eigenschaften: Können Korrosion verursachen oder Ablagerungen bilden.
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CSB-/BSB-Werte:
- Abwässer weisen häufig hohe Konzentrationen an Chemischem Sauerstoffbedarf (CSB) und Biochemischem Sauerstoffbedarf (BSB) auf, was eine anspruchsvolle Behandlung erforderlich macht.
Herausforderungen in der Wasser- und Abwasserbehandlung
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Hohe Schadstoffkonzentrationen:
- Petrochemische Abwässer enthalten oft toxische Substanzen, die die Effizienz biologischer Behandlungsverfahren beeinträchtigen können.
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Schwankende Abwasserzusammensetzung:
- Variierende Produktionsprozesse führen zu ungleichmäßigen Abwassermengen und -zusammensetzungen.
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Gesetzliche Vorgaben:
- Strenge Grenzwerte für Kohlenwasserstoffe, Schwermetalle und andere Schadstoffe in Abwasser und Emissionen müssen eingehalten werden.
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Kosten- und Ressourceneffizienz:
- Hohe Wasserverbräuche und Energiekosten fordern innovative und nachhaltige Lösungen.
Verfahren zur Wasser- und Abwasserbehandlung in der petrochemischen Industrie
Die Behandlung petrochemischer Abwässer erfolgt in mehreren Stufen, die physikalische, chemische und biologische Prozesse kombinieren.
1. Mechanische Vorbehandlung
Zweck:
Die mechanische Vorbehandlung dient der Entfernung grober Feststoffe, Öltröpfchen und Emulsionen, um nachfolgende Behandlungsstufen zu entlasten und deren Effizienz zu steigern.
Typische Prozesse:
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Sandfang:
- Abscheidung von Schwebstoffen wie Sand und mineralischen Partikeln, die sich am Boden des Absetzbeckens sammeln.
- Anwendung: Vorbehandlung stark belasteter Abwässer mit hohem Feststoffanteil, z. B. in Raffinerien.
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Ölabscheider (API-Abscheider):
- Trennung der Öl- und Wasserphase basierend auf Dichteunterschieden.
- API-Abscheider (American Petroleum Institute) sind Standardanlagen zur Entfernung von freiem Öl (>150 µm) und groben Partikeln.
- Anwendung: Behandlung von Ölhaltigen Abwässern, z. B. aus der Rohölverarbeitung.
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- Effektive Entfernung fein verteilter Öltröpfchen und emulgierter Verunreinigungen, die mit herkömmlichen Abscheidern nicht erfasst werden können.
- In Druckentspannungsflotationsanlagen (DAF) wird Luft unter Druck ins Abwasser eingebracht. Beim Entspannen des Drucks bilden sich feine Luftblasen, die Partikel und Öltröpfchen an die Oberfläche transportieren.
- Chemische Unterstützung: Einsatz von Flockungsmitteln zur Agglomeration feinster Partikel.
- Anwendung: Abwasser aus der Destillation, Crackverfahren oder Lagerung von Ölprodukten.
Foto: Unsere Flotationsanlage ALMA NeoDAF mit belastungsproportionaler Dosierung von Fäll- und Flockungshilfsmitteln
2. Chemisch-physikalische Behandlung
Zweck:
Die chemisch-physikalische Behandlung zielt darauf ab, gelöste Schadstoffe zu entfernen, die Abwasserzusammensetzung zu stabilisieren und schwer abbaubare Verbindungen zu reduzieren.
Typische Prozesse:
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- Entfernung von Schwermetallen, Phosphaten und kolloidalen Verunreinigungen durch Zugabe von Fällmitteln (z. B. Eisen- oder Aluminiumsalze) und Flockungsmitteln (z. B. Polyelektrolyte).
- Bildung größerer Flocken, die sich durch Sedimentation oder Flotation leicht entfernen lassen.
- Anwendung: Reduktion von Schwermetallen und Trübung in Abwässern aus petrochemischen Prozessen.
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- Einstellung des pH-Werts durch Zugabe von Säuren (z. B. Schwefelsäure) oder Laugen (z. B. Natriumhydroxid), um optimale Bedingungen für Fällungs- oder biologische Prozesse zu schaffen.
- Anwendung: Neutralisation von sauren oder alkalischen Prozessabwässern.
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Adsorption mittels Aktivkohle:
- Entfernung von organischen Schadstoffen durch Bindung an Adsorbentien wie Aktivkohle.
- Anwendung: Entfernung von Phenolen, BTX (Benzol, Toluol, Xylol) und PAK.
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- Zersetzung schwer abbaubarer organischer Verbindungen durch den Einsatz von Oxidationsmitteln wie Ozon, Wasserstoffperoxid oder Chlor.
- Advanced Oxidation Processes (AOPs): Kombination von Oxidationsmitteln mit UV-Licht oder Katalysatoren zur Erzeugung reaktiver Hydroxylradikale.
- Anwendung: Behandlung von aromatischen Kohlenwasserstoffen und halogenierten Verbindungen.
Foto: Unsere CP-Anlage ALMA CHEM MCW mit Neutralisation und nachgeschaltetem Aktivkohlefilter
3. Biologische Behandlung
Zweck:
Die biologische Behandlung nutzt Mikroorganismen, um organische Verbindungen abzubauen und die CSB-Belastung zu reduzieren.
Typische Verfahren:
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- Aerober Abbau organischer Stoffe durch Mikroorganismen in einem sauerstoffreichen Reaktor.
- Geeignet für leicht biologisch abbaubare organische Verbindungen.
- Anwendung: Abwässer aus der Lagerung und Verarbeitung von Ölprodukten.
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- Abbau organischer Stoffe unter sauerstofffreien Bedingungen, wobei Methan und CO₂ als Biogas entstehen.
- Typische Reaktoren: UASB (Upflow Anaerobic Sludge Blanket) und EGSB (Expanded Granular Sludge Bed).
- Anwendung: Abwasser mit hoher organischer Belastung, z. B. aus Crack- und Polymerisationsprozessen.
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- Kombination aus biologischem Abbau und Membranfiltration zur Abtrennung von Biomasse und Restschadstoffen.
- Vorteil: Hohe Effizienz und platzsparende Bauweise.
- Anwendung: Hochreine Abwässer, z. B. für Recyclingprozesse.
Foto: Unser Belebungsbecken des ALMA BHU BIO-Systems, zur Behandlung von Abwasser aus einer Raffinerie
4. Tertiäre Behandlung und Nachbehandlung
Zweck:
Entfernung von Restschadstoffen, Salzen und Keimen, um die Einhaltung strenger Grenzwerte zu gewährleisten.
Typische Verfahren:
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- Entfernung gelöster Salze, Schwermetalle und organischer Reststoffe durch semipermeable Membranen.
- Anwendung: Recycling von Wasser und Einhaltung von Einleitungsstandards.
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- Entfernung spezifischer Ionen wie Chlorid, Sulfat oder Schwermetalle.
- Anwendung: Nachbehandlung für Wiederverwendung als Prozesswasser.
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Desinfektion:
- Zerstörung von Keimen und Mikroorganismen durch UV-Licht, Ozonierung oder Chlorung.
- Anwendung: Einleitung von Abwasser in öffentliche Gewässer oder Rückführung in den Produktionskreislauf.
Gesetzliche Grenzwerte und Umweltauflagen
Die petrochemische Industrie unterliegt strengen Umweltvorschriften, die von internationalen und nationalen Organisationen festgelegt werden. Typische Grenzwerte sind:
- Kohlenwasserstoffe (gesamt): < 10 mg/L (Einleitung in Oberflächengewässer, je nach Region).
- CSB: < 125 mg/L (Einleitung in Oberflächengewässer gemäß EU-Wasserrahmenrichtlinie).
- Schwermetalle (z. B. Hg, Pb, Cd): < 0,1–1 µg/L, abhängig vom Metall und Einsatzgebiet.
Fazit
Die Wasser- und Abwasserbehandlung in der petrochemischen Industrie stellt hohe Anforderungen an Technologie und Prozessführung. Aufgrund der komplexen Abwasserzusammensetzung und der strengen Umweltauflagen sind maßgeschneiderte Lösungen erforderlich, die physikalische, chemische und biologische Verfahren effizient kombinieren.
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